Gastbeitrag: Janis McDavid bloggt
#appaddicted: Wie normal ist digital?
Für Menschen, die mit digitalen Errungenschaften aufgewachsen sind, zählen Apps & Co. zu den Selbstverständlichkeiten des Alltags. Janis McDavid schätzt den Komfort und die Schnelligkeit, die digitale Tools in sein Leben bringen – nicht nur weil er viel und weit reist. Im Interview verrät er, warum für ihn digital ganz normal ist und was sein wichtigster Reisebegleiter ist.
Invacare: Janis, digitale Alltagsorganisation ist für dich selbstverständlich. Auf Instagram heftest du gerne #traveladdicted an deine Fotos von Reisen. Dürfen wir das ab heute offiziell um #appaddicted erweitern?
Janis McDavid (lacht): Ich möchte nicht so weit gehen zu sagen, ich sei irgendwelchen Apps verfallen, auch wenn ich mir meinen Alltag ohne sie weder vorstellen kann noch mag. So gesehen könnte ich ebenfalls #toothbrushaddicted einführen, denn meine Zahnbürste ist an Wichtigkeit, regelmäßiger und selbstverständlicher Nutzung wohl ähnlich positioniert. Heißt: Digitale Lösungen oder Anwendungen gehören für mich einfach dazu. Sie erleichtern mein Leben, sie machen bestimmte Bereiche überhaupt erst möglich, andere sicherer, oder komfortabler, viele deutlich schneller. Besonders letzteres schätze ich sehr, da Ungeduld bekanntlich mein zweiter Vorname ist. Belassen wir „addicted“ also bei meiner Reiseleidenschaft und rufen den hashtag #appenthused ins Leben.
Invacare: Welche digitalen Tools nutzt du täglich? Was kannst du uns besonders empfehlen?
Janis McDavid: Das Herzstück meines digitalen Alltags ist mein Smartphone. Es ist ein Tor zur Welt, mein Kommunikationsmittel und, das ist irre wichtig für mich, mein mobiles Büro. In meinem Smartphone ist alles, was ich zum Arbeiten brauche. Wie ihr euch vorstellen könnt, nutze ich die Sprachsteuerung und die Sprachbefehle sehr häufig. Großartig, wie leicht dadurch vieles wird! Smarthome-Lösungen machen das Leben superbequem. Ich kann, um nur ein paar Beispiele zu nennen, u.a. meine Heizung steuern oder auch das Licht in meiner Wohnung.
Was mich schwer begeistert hat, sind die digitalen Entwicklungen in puncto Elektrorollstuhl: Früher musste langwierig, per Kabel mit einem Computer verbunden, Zeit und Nerv aufgebracht werden, bis die verschiedenen Fahrprogramme eingerichtet waren. Heute geschieht das live und in Echtzeit. Ratzfatz per Bluetooth. Selbst während ich fahre, kann der Techniker die Parameter verändern und hundertprozentig auf mich und meine Anforderungen anpassen. Sogar meinen eignen Tanzmodus hat mir das möglich gemacht. So cool!
Auch die Wartung meines Elektrorollstuhls ist unkompliziert geworden, dank der MyLiNX-App. Diese App liest Fehler und schickt sie direkt an den Techniker. Ich fühle mich dadurch sicherer und freier zugleich, weil Probleme frühzeitig erkannt werden, meist bevor sie irgendwelche lästigen Konsequenzen für mich bedeuten. Per Fernwartung können die Techniker Hilfestellung geben und, falls ich doch einen Vor-Ort-Termin brauche, liegen alle relevanten Infos dort bereits vor.
Invacare: Du reist viel, du reist weit und du reist vor allem beruflich. Deine Mobilität ist insofern nicht bloßer Spaßfaktor, sondern Basis deines Jobs. Welchen Herausforderungen begegnest du dabei?
Janis McDavid: Das ist natürlich sehr unterschiedlich, je nach Land, Transportmittel, Vorbereitungszeit etc. Das wichtigste ist, dass ich nicht in Einschränkungen denke, sondern immer in Möglichkeiten. Wie mache ich etwas möglich? Wenn naheliegende Lösungen nicht funktionieren, welche dann? Kreativität und meine Freude daran, spielerisch um die Ecke zu denken, öffnen völlig neue Wege. Meine körperlichen Einschränkungen sind für mich kein Grund, etwas nicht zu machen. Beispielsweise hatten meine Freunde und ich Feuer für die Idee gefangen, in Peru zu wandern. In den Köpfen der Menschen entsteht dabei in 99% der Fälle das Bild von Zweibeinern, die mit Rucksäcken durchs Gebirge stapfen. Das wäre ein Bild, in dem ich kaum vorkommen kann. In der Realität kam ich vor: nicht mit, sondern im Rucksack. Auf dem Rücken meines Freundes. Ich bin mit zwei Beinen durch die Anden gewandert (lacht). Wir haben es geschafft.
Lest hier mehr über Janis‘ Peru-Abenteuer.
Invacare: Reisen zu organisieren ist aufwendig, insbesondere natürlich auch mit dem Elektrorollstuhl. Was ist wichtig zu wissen und welche digitalen Lösungen unterstützen Dich?
Janis McDavid: Fast möchte ich sagen „Einspruch, euer Ehren!“, denn Reisen ist ehrlich gesagt nur dann aufwendig, wenn man eben nicht die Möglichkeiten nutzt, die einem heutzutage digital geboten werden! Vermutlich war es noch nie einfacher sich zu organisieren und vorab Infos zu recherchieren, als heute. Was beim Reisen mit Elektrorollstuhl gut zu wissen ist, dass es für deren Transport in Flugzeugen innerhalb der EU klare Richtlinien gibt. Man kann Elektrorollstühle kostenlos mitnehmen, nur muss man sie anmelden. Bei einigen Airlines ist dies inzwischen auch online möglich. Vor Ort sind natürlich die Apps des öffentlichen Nahverkehrs für mich hilfreich. Sie erleichtern die Routenplanung und sichern mein Zeitmanagement. Die App Citymapper, für Großstädte wie Hamburg, Amsterdam oder London, zeigt mir verschiedene Transportalternativen an. Da für mich beispielsweise 95% der Busse in London funktionieren, kann ich hier gezielt meinen Weg planen. Für Berlin gibt es übrigens eine wirklich geniale App: Mit dem Berlkönig lässt sich eine Art Sammeltaxi per App bestellen – sogar ein paar barrierefreie. Es holt mich am gewünschten Ort ab und bringt mich zum Ziel. Und das ca. zu der Hälfte der Kosten eines regulären Taxis.
Invacare: Du bist Ende Juni auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „digital will sozial — sozial will digital“ beim Evangelischen Kirchentag eingeladen. Das zeigt, wie wichtig und aktuell das Thema Digitalisierung nicht nur in Bezug auf das Thema Mobilität, sondern für den gesamten sozialen Bereich ist. Was liegt Dir in diesem Zusammenhang besonders am Herzen?
Es gibt ein schönes englisches Zitat, das übersetzt in etwa so heißt: „Für viele Leute ist die digitale Technologie ein Gimmick. Für Leute mit Handicap macht sie Dinge erst möglich.“ Das Wort „Digitalisierung“ löst bei vielen Menschen immer noch Unbehagen aus. Oft sind die Assoziationen dazu angstbehaftet oder zumindest skeptisch gefärbt. Die digitalisierte Welt wird als die entmenschlichte Welt wahrgenommen – und dem setze ich entgegen: Die digitalisierte Welt macht die Welt um ein Vielfaches menschlicher! Eben weil Apps und digitale Tools die Handlungs- und Lebensspielräume ungeheuer erweitern! Natürlich gilt es wach und bewusst mit Themen wie Datenschutz und Datensicherheit umzugehen. Digitales Leben ist ebenso risikobehaftet wie „analoges Leben“. Leben ist immer eine Münze mit zwei Seiten. Die Frage ist also: Wie gehe ich als Gesellschaft oder Unternehmen mit den beiden Münzseiten um? Einer der Gründe, warum ich Markenbotschafter von Invacare geworden bin, ist eben jener proaktive und vorausschauende Umgang mit technischen Entwicklungen. Hier wird meine Lieblingsfrage gelebt: Wie ist etwas möglich? Nur so kann man Vorreiter sein. Nur so kann ein Rollstuhl entstehen, der digital vernetzt ist und mehr Leben möglich macht. „Yes, you can!“ ist kein Spruch, sondern Passion. Und das trifft meinen Nerv.
Invacare: Was ist dein persönlicher Tipp für Reisende im Elektrorollstuhl?
Janis McDavid: Werft vor der Flugreise einen Blick in die Richtlinien der Fluggesellschaft und sprecht mit einem Techniker. Es ist wichtig zu wissen, wie die Batterien abgeschaltet werden können, damit der Stromkreislauf während des Transports unterbrochen bleibt und sich nicht womöglich automatisch in Gang setzt. Bei meinem Elektrorollstuhl, dem Invacare TDX SP2, kann ich die Batterie einfach wie eine Art Schlüssel abkoppeln. Superpraktisch! Ohne so eine Funktion muss häufig der ganze Rollstuhl auseinandergebaut werden, damit die Batterie komplett entkoppelt werden kann – ich erinnere mich dabei schmunzelnd an meine erste Flugreise, bei der mein Bruder den halben Rolli auseinanderschrauben musste…
Invacare: Zum Schluss sind wir sind nochmal sehr neugierig. Was nimmst du auf deine Reisen immer mit?
Janis McDavid: Keine Reise ohne meine Noise-Cancelling-Kopfhörer! Alle störenden Geräusche während des Fluges dürfen gerne draußen bleiben. Aber das alleralleraller wichtigste: ein Kissen! Restlos appfrei und analog rate ich euch, nehmt ein Kissen mit! Ich hab‘ meist mein eigenes Kissen dabei oder nutze das Sitzkissen meines manuellen Rollstuhls, um den Flugzeugsitz für den langen Flug bequemer zu machen. #kissenkomfortrockt
Gastbeitrag von Motivationsredner und Buchautor Janis McDavid
Nach so vielen Reisetipps von Janis stellt sich jetzt die Frage: Wo soll die Reise überhaupt hingehen? Lasst euch von unseren Top 5 barrierefreien Reisezielen inspirieren.